Autofinanzierung: Kreditwiderruf als Rückabwicklungsmöglichkeit?
Für Diesel-Pkw-Besitzer:innen, die ihr Fahrzeug loswerden wollen, bietet der "Widerrufsjoker" eine Chance zur Rückabwicklung - vorausgesetzt, der Wagen wurde über einen vom Autohändler vermittelten Kredit finanziert und bestimmte Bedingungen sind erfüllt.
Der als "Widerrufsjoker" bekannte Ansatz kann unter Umständen auch für Diesel-Fahrzeuge genutzt werden. Die rechtliche Grundlage ist jedoch noch nicht eindeutig und von verschiedenen Bedingungen abhängig.
Viele Verbraucher:innen nutzen den "Widerrufsjoker", wenn ihr Diesel-Pkw vom Abgasskandal betroffen ist. Dieser Trick kann aber auch bei anderen finanzierten Fahrzeugen angewendet werden, sofern die wirtschaftlichen Bedingungen stimmen, beispielsweise bei einem fehlerhaften Fahrzeug.
Kann ich meinen alten Diesel zurückgeben, wenn ich die Finanzierung widerrufe?
Der Widerruf setzt voraus, dass der Autokauf und der Finanzierungsvertrag rechtlich verbunden sind. Dies ist in der Regel gegeben, wenn der Kreditvertrag über den Händler abgeschlossen wurde.
Zudem muss der Kreditvertrag fehlerhaft sein. Nach aktueller Rechtsprechung haben viele Kunden ein Widerrufsrecht, da die Bank oft unvollständige oder keine Informationen darüber gibt, ob und wie der Vertrag vorzeitig beendet werden kann. Viele Landgerichte haben bereits zugunsten der Verbraucher entschieden.
Allerdings sind nicht alle Urteile rechtskräftig und Banken vermeiden oft eine wegweisende Gerichtsentscheidung durch Anerkenntnis oder Vergleich. Gerichte in anderen Bezirken oder höheren Instanzen können anders urteilen, und einige Landgerichte haben Verbraucherklagen abgewiesen.
Ein Widerrufsrecht kann in bestimmten Fällen wegen "Verwirkung" ausgeschlossen sein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied in seinem Urteil vom 28. Mai 2019, dass besondere Umstände dazu führen können, dass der Kreditgeber nicht mehr mit einem Widerruf rechnen muss. Ob diese Entwicklung anhält, bleibt abzuwarten, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Neue Möglichkeiten für einen Widerruf könnten sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 26. März 2020 und vom 9. September 2021 ergeben. Diese erweitern möglicherweise die Fehler in Widerrufsbelehrungen und Pflichtinformationen und könnten sich auf Autofinanzierungen auswirken. Der BGH wird jedoch die Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 in bestimmten Fällen nicht anwenden, wenn der Kreditgeber die gesetzlich festgelegte Musterbelehrung ordnungsgemäß verwendet hat. Weitere Informationen finden Sie in diesem Beitrag.
Der Widerruf ist möglich. Bekomme ich mein Geld zurück?
Bei Widerruf der Finanzierung werden der Kreditvertrag und der Autokaufvertrag rückabgewickelt. Das finanzierte Auto muss zurückgegeben werden.
Nach Eingang der Widerrufserklärung bei der Bank müssen keine Zinsen und Tilgungszahlungen mehr geleistet werden, und bereits gezahlte Raten können zurückgefordert werden.
Die Bank hat jedoch Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Kreditzinsen für die Inanspruchnahme des Kredits bis zum Widerruf.
Erhalte ich mein Geld – abzüglich der Kreditzinsen bis zum Widerruf?
Nicht ganz. Nach dem Widerruf des Finanzierungsvertrages müssen Sie dem Händler einen Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zahlen.
Einige Juristen argumentieren, dass bei einem ab dem 13. Juni 2014 abgeschlossenen Vertrag kein Nutzungswertersatz fällig wird. Das Landgericht Berlin entschied in seinem Urteil vom 15. Februar 2019, dass aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung kein Wertersatz geschuldet sei. Die Bank durfte nur die gezahlten Kreditzinsen behalten, und der Kläger fuhr das Auto quasi kostenlos.
Diese Position wird teilweise durch das OLG München in seinem Urteil vom 18. Juni 2020 gestützt. Allerdings betrifft diese Entscheidung einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und unterliegt nicht den Verbraucherschutzvorschriften.
Andere gerichtliche Entscheidungen, die Verbrauchern ein Widerrufsrecht zubilligen, sehen dies anders und verlangen einen Wertersatz für die gefahrenen Kilometer.
Berechnung des Wertersatzes
Wenn Sie bis zum Widerruf 50.000 Kilometer gefahren sind und das Auto 10.000 Euro gekostet hat, müssen Sie bei einer erwarteten Restlaufleistung von 100.000 Kilometern 5.000 Euro Wertersatz zahlen.
Es ist auch möglich, dass über den Ersatz für gefahrene Kilometer hinaus ein weiterer Ersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs gefordert werden kann.
Der BGH hat mit Urteil vom 25.10.2022 (Az: XI ZR 44/22) Klarheit zur Berechnung des Wertersatzes geschaffen. Der Händlerverkaufswert bei Übergabe und der Händlereinkaufswert bei Rückgabe sind entscheidend.
Diese Entscheidung des BGH könnte den Widerruf unattraktiver machen, da die Berechnungsmethode eine große Differenz zu Lasten der Verbraucher:innen verursachen kann, insbesondere bei höherem Wertverlust des Fahrzeugs durch Schäden oder übermäßige Nutzung.
Der genaue Wertersatz wird erst bei Rückgabe des Fahrzeugs festgesetzt, also nach dem Widerruf. Bei einem Rechtsstreit erfolgt dies meist erst nach einem abschließenden Urteil, das Jahre dauern kann. Dies kann die Rückabwicklung kompliziert und unklar machen.
Lohnt sich ein Widerruf für mich?
Dies kann nicht pauschal beantwortet werden. Es hängt vom Einzelfall ab. Bisher gibt es nur wenige rechtskräftige Urteile, die teils widersprüchlich sind, was die Rechtsprechung noch ändern könnte.
Da die Streitwerte oft hoch sind (regelmäßig im fünfstelligen Bereich), ist das Kostenrisiko erheblich. Ein Prozess über mehrere Instanzen kann Jahre dauern. All dies sollte sorgfältig abgewogen werden.